Demenzerkrankungen gelten neben Depressionen und Schizophrenien als die kostenintensivsten psychischen Erkrankungen der
heutigen Zeit. Experten sind sich einig, dass ihre gesundheitspolitische Bedeutung in einer immer älter werdenden Gesellschaft,
noch deutlich unterschätzt wird. Allein der Anteil der über 65-jährigen Menschen in Deutschland steigt nach statistischen
Vorhersagen von heute 13,4 Millionen auf 22 Millionen im Jahre 2040. Der Anteil der über 80-jährigen Menschen wird sich im
selben Zeitraum, von heute 2,9 Millionen auf ca. 6 Millionen mehr als verdoppeln.
Dies ist bedeutsam, da die Neuerkrankungsrate im höheren Lebensalter nahezu
exponentiell mit einer Verdopplung nach jeweils etwa 5 Altersjahren von 0,3 %
pro Jahr bei den 65- 69- Jährigen bis auf mehr als 7% pro Jahr bei den über 90-
Jährigen an steigt. Etwa 60% der Ersterkrankten haben bei der gegenwärtigen
Altersstruktur der Bevölkerung bereits ihr 80. Lebensjahr vollendet.
Etwa 1/3 der Altenbevölkerung muss damit rechnen, selbst am Lebensende von
einer Demenz betroffen zu sein.
Demenzen, dazu gehören in erster Linie Demenzen vom Typ Mb. Alzheimer und
gefäßbedingte, so genannte vaskuläre Demenzen und Mischformen, gelten mit
einem durchschnittlichen Erkrankungsbeginn im 55.- 60. Lebensjahr zurecht als
typische Alterserkrankungen. Untersuchungen belegen, dass ca. 25% aller
Menschen über dem 65. Lebensjahr an Gedächtnisstörungen, davon etwa 8% an
einer Demenz, ca. 6% an einer mittelschweren bzw. schweren Form mit hohem
Pflege- und Betreuungsbedarf, erkrankt sind. Allein in Mecklenburg- Vorpommern steigt die Zahl der älteren Mitbürger
(65 Jahre und älter) nach Schätzungen des Statistischen Landesamtes Mecklenburg- Vorpommern bis 2020 prognostisch von
283.000 auf 386.000. Dies bedeutet, dass 2020 voraussichtlich über 25 % aller Menschen in unserem Bundesland 65 Jahre
und älter sein werden. Damit ist allein hier mit über 30.000 Kranken, davon über 10.000 schweren Fällen, zu rechnen. |
Genauen Aufschluss zum vorliegenden Schweregrad, zur möglichen Ursache und zur Behandlungsnotwendigkeit geben die
Spezialisten in den so genannten Gedächtnisambulanzen. Hier werden, wie in der Stralsunder Gedächtnisambulanz unter Leitung von Dr. med. Zabel im Rahmen der dort vorgehaltenen Gedächtnissprechstunde, für die Diagnostik bedeutsame
Befunde, spezielle Laborparameter, radiologische Befunde (z.B. cMRT + KM) zusammengeführt bzw. entsprechende weitere
Untersuchungen (z.B. Polygrafie) durchgeführt. Ergänzend erfolgt hier eine umfassende psychologische Leistungsdiagnostik, die
dann regelmäßig alle 6 Monate wiederholt wird, um die Wirksamkeit der eingeleiteten Therapien zu überprüfen.
Oftmals sind es zu Beginn einer Erkrankung Hinweise, die übersehen oder auf ein “normales Altern” zurückgeführt werden.
So fallen viele ältere Menschen, die später eine Demenz entwickeln bereits frühzeitig dadurch auf, dass sie hin und wieder,
häufig auch nur vorübergehend, zeitliche und örtliche Orientierungsschwierigkeiten haben. An so genannten “schlechten”
Tagen fallen dem Betroffenen Namen zu bekannten Gesichtern nicht ein, es gibt vermehrt Schwierigkeiten bei der Verrichtung
komplexer Tätigkeiten, wie beim Geld abholen. Immer wieder bestehen in frühen Krankheitsphasen Veränderungen im
Tag--Nacht-Rhythmus, Einschränkungen der Sprachproduktion oder Stimmungsveränderungen. Diese reichen von zunehmender
Gereiztheit, vermehrten Ängsten bis zur Traurigkeit mit Rückzugstendenzen.
Wissenswert ist, dass ca. 15- 20 % aller Menschen über dem 65. Lebensjahr an so genannten Leichten kognitiven Störungen
(MCI= mild cognitive impairment) leiden. Etwa 30- 40 % dieser Risikogruppe entwickeln in den nächsten 3 Jahren eine
behandlungsbedürftige Demenz. Entsprechend ist hier eine kontinuierliche Beobachtung und Kontrolle der relevanten Parameter
dringend notwendig. Denn, wie bei anderen Erkrankungen auch, ist neben der sicheren fachärztlichen Diagnostik, dem
aufklärendem Gespräch mit dem Erkrankten und den Angehörigen, eine rechtzeitige, effektive und spezielle Therapie wesentlich
für den weiteren Krankheitsverlauf. Dabei stellt die medikamentöse Therapie mit so genannten Antidementiva nur ein Baustein
der Behandlung dar. Zusätzlich müssen vorhandene Risikofaktoren (Bluthochdruck, Blutfetterhöhung, Folsäuremangel etc.) auf
ihre Bedeutung für die vorliegende Demenz eingeschätzt werden. Bei Notwendigkeit wird in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt
eine entsprechende Therapie eingeleitet oder optimiert.
Während leicht und vereinzelt auch mittelschwer Erkrankte noch relativ problemlos in der Häuslichkeit zu betreuen sind, ist das
für schwer an Demenz Erkrankte kaum noch möglich. In der Regel sind in diesen Stadien die zeitliche und örtliche Orientierung,
sowie das Personengedächtnis nicht mehr erhalten. Zudem bestehen oft Verhaltensbesonderheiten mit Interessenverlust oder
Aggressivität und zusätzliche neurologische Defizite, wie Gangstörungen mit erhöhter Sturzgefahr oder Störungen der
Ausscheidungsfunktionen, die einer regelmäßigen, eigentlich täglichen Behandlung, bedürfen. Allein diesem Aspekt kann eine
häusliche Betreuung und Pflege nicht ausreichend gerecht werden. Oftmals benötigen schwerer an Demenz Erkrankte auch
besondere Wohnbedingungen, z.B. Wohnungen mit Auslauf in einen geschützten Bereich, mit besonderer Farbgestaltung der
Räume zur besseren Orientierung etc.. Auch bei neueren Wohn- und Betreuungskonzepten werden diese besonderen Aspekte
heute kaum berücksichtigt. |
In den Hansestädten Stralsund, Greifswald und im Landkreis Nordvorpommern werden nach Schätzungen des Statistischen
Landesamtes Mecklenburg- Vorpommern 2020 voraussichtlich 47 000 Menschen älter als 65 Jahre alt sein. Allein in
Stralsund waren es 2005 bereits fast ein viertel aller dort lebenden Menschen (23,2%).
Rechnet man die bekannten Zahlen zur Erkrankungshäufigkeit hoch, so werden 2020 in diesen 3 Regionen ca. 7.000- 9.500
Menschen an einer leichten kognitiven Störung (MCI) und über 3.800 an einer
Demenz, davon 2.800 an einer mittelschweren oder schweren Form, erkrankt sein.
Es liegt auf der Hand, dass hier bezahlbare, innovative Behandlungs- und
Betreuungskonzepte dringend notwendig sind.
Unsere bisherigen Erfahrungen aus der Tätigkeit in der Gedächtnissprechstunde in
Stralsund und die gute Zusammenarbeit mit dem Uhlenhaus Pflegedienst und dem
Rehazentrum am Uhlenhaus soll nun zur weiteren Verbesserung der Versorgung
an Demenz Erkrankter in den Regionen Stralsund, Greifswald, Nordvorpommern
und Rügen genutzt werden. Ein entsprechendes Versorgungsprojekt ist in Planung. |